Vor einigen Tagen hatte ich in »Warum Flüchtlinge Mobiltelefone haben (und es ihnen trotzdem nicht gut geht)« schon einmal kurz Gründe erläutert und einen initialen Blogeintrag verlinkt.

Nun hat derStandard.at einen Artikel mit Fakten: Flüchtlinge und teure Smartphones: Hetze ohne Fakten.

Neben der Schilderung, wofür Flüchtlinge Smartphones benutzen –

  • Kommunikation mit Angehörigen und Freunden in der Heimat oder in anderen Unterkünften nach Trennung auf der Flucht;
  • Verwendung als Landkarte, Navigations- und Ortungsgerät (GPS);
  • Verwendung als Übersetzungs- und Sprachcomputer zur Kommunikation mit Behörden und Helfern in den europäischen Staaten,
  • zur Kommunikation mit teuer bezahlten Schleppern auf der gefährlichen Flucht

–, gibt der Artikel viele Hintergrundinformationen:

In den Ländern des Nahen Ostens – zum Beispiel Syrien, Irak und Afghanistan –, aber auch Teilen Afrikas, wurden erst vor wenigen Jahren umfangreiche Mobilfunknetze von Firmen aus den USA (wovon auch die NSA bei ihrer weltweiten Überwachung und Spionage profitiert), Asien und Europa aufgebaut; nach Afghanistan- und Irakkrieg, vor Aufständen in Syrien und IS-Terror. In vielen Gebieten wurde damit überhaupt erst Telekommunikation und Internet möglich – Festnetz gibt es oft bis heute nicht.

Die Mobilfunkbetreiber und Mobiltelefonhersteller hofften auf eine große Nachfrage und Gewinne. Dafür war es jedoch nötig, Smartphones zu produzieren, die deutlich günstiger als die Modelle in den USA und Europa waren. Das erreichte man durch Modelle mit weniger Leistung, aber ähnlichem Design. Auch gebrauchte und aufbereitete Geräte wurden gerne ver- und gekauft, etwa iPhones von Apple.

Im Nahen Osten und vielen anderen Ländern der dritten oder zweiten Welt ersetzt ein Smartphone die vielen Geräte, die eine Person in der westlichen Welt zumeist hat: Telefon, Computer, Fernseher und so weiter.

Mit dem Arabischen Frühling ab 2011 konnten mit Smartphones Proteste koordiniert und Freunde gewarnt werden. Die eingebauten Kameras konnten Menschenrechtsverletzungen filmen und per Mobilfunkinternet weltweit sichtbar machen.

Smartphones waren also für viele Menschen in ihren Heimatländern schon lange verfügbar und zentraler Bestandteil des Alltags. Warum sollten sie so praktische, vielseitige und transportable Geräte dann also auf der Flucht vor Krieg, Tod, Folter, Hunger, Arbeitslosigkeit zurücklassen?

Womit Flüchtlinge in den europäischen Staaten Probleme haben, sind die hohen Kosten für Mobiltelefonie und mobiles Internet. (Als eine mögliche Abhilfe sei hier noch einmal auf die Freifunk-Initiativen verwiesen, die einfach ohne Registrierung nutzbares, kostenloses Internet per WLAN an vielen Flüchtlingsunterkünften aufbauen.)

Der Artikel schließt damit, daß wichtige Personen aus der IT-Branche wie Apple-Mitgründer und iPhone-Erfinder Steve Jobs oder Google-Mitgründer Sergey Brin Nachkommen von bzw. selbst Migranten waren.


Artikel entdeckt durch einen Retweet von @ElektroDengel.


Nachtrag vom 2015-09-02: Auch die Neue Westfälische hat einen ähnlichen Artikel: Warum Asylbewerber auf Smartphones angewiesen sind vom 2015-09-02.