Dominik Rzepka, Redakteur im Hauptstadtstudio des ZDF, schrieb auf Twitter am 15. Juni, das Bundesministerium der Justiz sage, es habe das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung (»Höchstspeicherfrist«) mit 69 Verbänden »abgestimmt«. Er reichte einen Auszug der Liste mit den Verbänden, die »beteiligt« worden sein sollen, nach; darunter der Chaos Computer Club (CCC) und Digitalcourage (ehemals FoeBuD).

Linus Neuman, Sprecher des CCC, widersprach: mit dem Chaos Computer Club sei nichts »abgestimmt« worden.

Auch Digitalcourage antwortete, man sei nicht be- oder gefragt worden. Man habe lediglich den Entwurf des Gesetzes »zur Kenntnisnahme« am 15. Mai per E-Mail erhalten. Und Digitalcourage zeigte einen Screenshot der E-Mail des Bundesjustizministeriums, in der knapp die Übersendung des Entwurfs »mit der Bitte um Kenntnisnahme« begründet wurde.

Egal ob nun »abgestimmt« oder »beteiligt« das Wort war: keines paßt, wenn ein Gesetzesentwurf »zur Kenntnis« übersandt wurde. Etwas lesen zu dürfen ist noch keine Beteiligung, schon gar keine Abstimmung.

Und selbst wenn man um Kommentare gebeten hätte – die man sowieso ignoriert hätte, wie man es ein ganzes Jahrzehnt lang mit der Kritik an der Vorratsdatenspeicherung von unzähligen Bürgern und Organisationen der Zivilgesellschaft getan hat –, dann hätte man den Organisationen nur wenige Stunden Zeit für das Lesen, eine Analyse und Antwort gegeben. Viel zu wenig Zeit.

Das bemängelt unter anderem die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff (CDU!). Sie schreibt in ihrer Stellungnahme (PDF), in der sie den vorgelegten Gesetzesentwurf als verfassungswidrig bezeichnet, unter anderem zu den Fristen:

[…] Vorgaben der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, nach der alle Anzuhörenden rechtzeitig zu beteiligen sind, wurden mehrfach ignoriert.

So wurde mir zur Abgabe einer ersten Stellungnahme eine Frist von faktisch weniger als 30 Stunden gewährt. Dass dieser Zeitraum nicht ausreichend ist, um einen umfangreichen Gesetzentwurf wie den vorliegenden sorgsam durchzuarbeiten und zu prüfen, versteht sich von selbst. Auch die Wechselwirkungen zum bestehenden Recht und zu weiteren laufenden Gesetzgebungsverfahren übergreifend in den Blick zu nehmen, ist in einem Gesetzgebungsverfahren mit dieser geradezu absurden Beteiligungsfrist unmöglich. […]

Gründe, warum vorliegend derart kurze Fristen gesetzt wurden, sind nicht erkennbar. […]

Bei der Zusendung eines Gesetzesentwurfs »zur Kenntnis« von »Beteiligung« oder »Abstimmung« mit der Zivilgesellschaft zu sprechen ist Neusprech, unverschämt, verhöhnend. Über Politikverdrossenheit braucht man sich so nicht zu wundern.